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PhD im Lockdown 3.0 in Neu Delhi

#farawaysoclose. Der Informatiker Dron Khanna wartet in Neu Delhi darauf, an die unibz zurückzukommen. Über Kämpfe mit dem Internet und um Alkoholflaschen.

Eigentlich hatte er nur einen kurzen Aufenthalt bei seiner Familie in Neu Delhi geplant gehabt. Doch dann durchkreuzte der Ausbruch des Corona-Virus in Italien die Pläne des Informatikers Dron Khanna. Seit  Februar sitzt der PhD-Student und mehrjährige Lehrbeauftragte der Fakultät für Informatik der unibz nun in seinem Elternhaus in der indischen Hauptstadt fest. Und das im Jahr 2020 – einem crucial year in my life, wie der sympathische Inder meint, der in seiner Wahlheimat Ritten genauso bekannt ist wie unter Informatik-Studierenden der unibz, die ihn als Studienassistenten der beliebten Lehrveranstaltung „Lean Start-up“ schätzen. „Vergangenes Jahr habe ich meine Lehrtätigkeit an der Fakultät für Informatik vorübergehend ausgesetzt, um mich voll und ganz auf das letzte Jahr meines Doktorats zu konzentrieren“, erzählt Khanna. Dass er – nach mittlerweile zehn Jahren in Südtirol und an der unibz - zumindest Monate davon in seiner alten Heimat verbringen würde, war damals noch nicht absehbar. „Glücklicherweise bin ich bereits in der Endphase meiner Abschlussarbeit“, sagt er. Auch in seinem Doktorat beschäftigt sich der Informatiker mit Start-ups. Und zwar mit jungen Software-Firmen, die er mit einem multidisziplinären Ansatz dabei unterstützen will, in der Start-up-Phase durch gezielte Reflexion erfolgreicher ihre Ziele zu erreichen. „Üblicherweise sind Startupper in dieser Branche ständig unter Strom und im Tun. Doch es ist extrem wichtig, auch immer wieder innerzuhalten, um den eigenen Prozess zu überdenken und daraus zu lernen.“ In Kürze will Dron Khanna ein neues Paper zum Thema veröffentlichen; danach fehlt nur noch der letzte Schliff an seiner Doktorarbeit.

Wenn ihn nicht eine instabile Internetverbindung immer wieder zur Verzweiflung treiben würde, hätte Dron in den vergangenen Wochen in Indien sogar gute Arbeitsbedingungen gehabt. Denn Ablenkungen gab es in Neu Delhi angesichts eines der weltweit strengsten Lockdowns so gut wie keine. „Wir durften bis Anfang Mai nicht einmal vor die Tür“, erzählt er. Alle Lebensmittel seien von einem Händler vor das Haus geliefert worden, wo sie dann in Körben per Seil hinaufgezogen wurden. Dabei habe es in Indien anfangs noch viel besser ausgesehen als hierzulande. „Als in Italien der Notstand losging, war hier noch alles ruhig“, erzählt Dron. „Ich war noch sehr besorgt um meine Freunde in Südtirol, und als ich hörte, dass es keine Schutzmasken mehr gab, habe ich hier gleich ein ganzes Paket hochwertiger Produkte mit Luftfilter besorgt, um sie per Botendienst nach Bozen zu schicken“. Doch das Hilfspaket nach Italien kam schon bald wieder nach Neu Delhi zurück. „Beim Zoll hieß es, dass solche Waren nicht über Botendienst exportiert werden. Nun werde ich sie halt persönlich als Wiedersehensgeschenke übergeben“, lacht er. Wann das sein wird, steht allerdings noch in den Sternen. Eigentlich wollte Dron spätestens Anfang Juni wieder in Bozen sein. „Bisher gibt es aber nicht einmal Inlandsflüge“, sagt er, „doch ich hoffe, dass ich es wenigstens bis Anfang Juli zurückschaffe.“ 

Denn trotz aller Ruhe ist das Arbeiten in Indien gerade in der Abschlussphase seines PhD nicht immer einfach. „Insbesondere mit meiner Betreuerin und Chefin, Prof.in Xiaofeng Wang, bin ich zwar auch nun in regelmäßigem Kontakt. Dennoch ist es etwas ganz anderes, ob man sich über WhatsApp oder Teams hört oder Tür an Tür arbeitet.“  Das wäre derzeit aber auch in Bozen unmöglich, kann sich Dron Khanna trösten, Und so versucht er weiterhin das Beste aus der Situation zu machen. Die sich nun nach sechs Wochen strengster Ausgangssperre auch in Indien seit vergangenem Montag etwas gelockert hat. „Hier wurde der Lockdown am 22. März ohne wirkliche Vorwarnung und mit nur kurzer Vorlaufzeit verhängt. Seit einer Woche sind wir nun in der Lockdown-Phase 3.0 und die hat erste Lockerungen gebracht.“ Vor allem in Zonen, die aufgrund niederer Infektionszahlen als grün oder orange eingestuft wurden, während in roten Zonen immer noch strengste Einschränkungen, erzählt Dron. Allerdings gab es vergangene Woche gleich erste Tumulte als auch einige Spirituosenläden wieder öffneten. Denn - wie auch zahlreiche Videos im Netz zeigen – scheint der Alkohol in Corona-Zeiten für Inder eine ähnliche Bedeutung zu haben wie für Deutsche das Klopapier. „Nachdem sich alle wochenlang wirklich vorbildlich an die strengen Beschränkungen gehalten haben, war plötzlich die Hölle los“, erzählt Khanna. Scheinbar jeder wollte sich mit Alkoholvorräten eindecken, was zu teils kilometerlangen Schlangen vor den Läden führte. „Die Leute hielten die Sicherheitsabstände nicht ein, umarmten sich – es schien, als gäbe es kein Coronavirus, bis schließlich die Polizei die Menschen mit Schlagstöcken auseinandertrieb.“ Als Konsequenz habe die Regierung umgehend die Alkoholsteuer angehoben, um weitere Hamsterkäufe zu verhindern, so Dron Khanna.

Auch er selbst hofft nun wieder auf die Vernunft seiner Landsleute. Denn bislang hat das Land mit seinen 1,38 Milliarden Einwohnern das Virus zumindest laut den offiziellen Zahlen mit nicht einmal 2000 Toten recht erfolgreich in Schach gehalten. Sollte der Lockdown wie geplant im Laufe des Mai aufgehoben werden, können Drons Rückkehrpläne langsam wieder konkreter werden – und sich seine Sehnsucht erfüllen, den Sommer wieder auf dem Ritten zu verbringen. „Denn wie mir in den letzten Monaten noch klarer wurde: Ich liebe die Berge, und vermisse sie ebenso sehr wie meine Kolleg*innen an der Fakultät für Informatik und meine vielen Freundinnen und Freunde.“ 

(su)