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„Maskulin ist nicht gleich männlich“

Das Umschreiben von Personenbezeichnungen im Online-Duden hat eine virulente Diskussion ausgelöst. Mitten drin: ein neues Gesicht an der unibz, die Linguistin Ewa Trutkowski.

Frau Trutkowski, Ihr Name taucht zurzeit in vielen Artikeln bekannter deutschsprachiger Medien wie Die Welt auf, in denen es um die Entscheidung der Duden-Redaktion geht, Personenbezeichnungen fortan zu gendern. Was passiert da gerade?  

Ewa Trutkowski: Bisher waren Personenbezeichnungen im Online-Duden neutral, also im sogenannten generischen Maskulinum, gehalten. Lehrer wurde beispielsweise als jemand, der lehrt, definiert. Nun rückt man von dieser geschlechtsneutralen Formulierung ab und definiert den Lehrer – vorerst im Online-Duden – als männliche Person, die lehrt. Zusätzlich führt der Online-Duden die Lehrerin als weibliche Person, die lehrt, mit auf. Einige Medien haben das Thema unter dem Stichwort „der Duden gendert“ aufgegriffen, obwohl unter Gendern gemeinhin etwas anderes verstanden wird, nämlich die Nutzung eines Genderzeichens, wie Stern, Gap oder Doppelpunkt (Lehrer*in, Lehrer_in, Lehrer:in). Das macht der Duden – zumindest bisher – noch nicht.

Sie finden die Neudefinitionen problematisch. Warum? 

Als Linguistin wehre ich mich dagegen, weil damit Genus, also das grammatische Geschlecht, mit Sexus, dem biologischen Geschlecht gleichgesetzt wird. Aus linguistischer Sicht ist das einfach falsch. Maskulina wie Lehrer, Mieter etc. haben in der deutschen Sprache eine Interpretation, die über die männliche Personenbezeichnung hinausgeht. Außerdem grenzt der Duden mit den Neudefinitionen all jene Menschen aus, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen. 

Wie die mittlerweile jahrzehntelange Diskussion um eine gendergerechte Sprache zeigt, ist diese Position aber auch innerhalb Ihres Fachs umstritten. Welche Auswirkungen wird die Entscheidung der Duden-Redaktion nun Ihrer Meinung nach auf die Weiterentwicklung des Genderns haben? 

Wir wären keine Wissenschaftler, wenn wir uns nicht streiten würden. Und es kommt immer auf die Perspektive an, welche Position man als „umstritten“ ansieht. In der akademischen Welt ist Gendern, zumindest in der Anrede, Standard geworden. Fragt man jedoch „den Nachbarn von nebenan“ und schaut man sich Umfragen an, in denen breitere Bevölkerungsschichten befragt wurden, stellt man fest, dass nicht der Gebrauch des generischen Maskulinums, sondern das Gendern umstritten ist. Man wird erst in einiger Zeit feststellen können, ob der Duden mit seiner Breitenwirkung erreicht, dass die generische Lesart von Maskulina zurücktritt – oder ob seine Stellung als Referenzwerk dadurch schwindet. Ich bin gespannt, wie sich die Diskussion weiterentwickeln wird und werde meinen Standpunkt einbringen. 

Ein anderer Standpunkt, auf dessen Basis Gendersternchen und andere geschlechtergerechte Formulierungsarten immer mehr Bedeutung erlangt haben, lautet: Sprache formt Bewusstsein. Können wir das generische Maskulinum tatsächlich isoliert von sozialen und gesellschaftlichen Entwicklungen sehen, also zum Beispiel dem Wunsch, Frauen endlich sichtbarer zu machen? 
 
Ein stärkeres Sichtbarmachen von Frauen und nicht-binären Personen sollte in den Positionen, innerhalb der Gesellschaft selbst, passieren. Durch sprachliche Sichtbarmachung kann man die soziale Realität nicht umstülpen. Sprache determiniert unser Denken weit schwächer, als vielfach behauptet wird. Für mich ist Gendern eine Art „sprachliche Tätowierung“, mit der man unter Beweis stellen möchte, dass man beispielsweise alternativ denkt, grün wählt und insgesamt ein aufgeklärter Geist ist. Doch solche ideologischen Zuschreibungen würde ich gerne aufbrechen. Genauso wie man nicht links aussehen muss, um links zu sein, muss man auch kein Gendersternchen benutzen, um aufgeklärt zu sein oder nicht-normative Geschlechteridentitäten und -beziehungen zu akzeptieren oder zu leben. Und vor allem müssen wir dafür nicht die Effizienz und Klarheit unserer Sprache opfern. 

Sie sind erst im vergangenen Oktober aus Deutschland nach Brixen gekommen. Werden Sie nun als Forscherin an der Fakultät für Bildungswissenschaften weiterhin an dem Thema arbeiten? 

Ja, die Schnittstelle von Genus und Sexus ist einer meiner Forschungsschwerpunkte, aber ich bin auch in andere Projekte und Themen eingebunden, z.B. in die Erforschung germanischer Varietäten. Außerdem unterrichte ich im Bereich Linguistik des Deutschen. 

(su)