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„Am Ende des Tages setzt sich die Nuanciertheit durch“
Wir erreichen Arnbjörn Eggerz in Berlin, wo er gerade ein zweites Büro für seine Firma Iceventure aufbaut. Die Wege führten den 42jährigen Deutsch-Isländer in die Beratung.
Karrieren gehen oftmals verschlungene Wege: Arnbjörn Eggerz, der neben der deutschen auch die isländische Staatsbürgerschaft besitzt, hat sich während seines Studiums als Präsident des Studierendenvereins Kikero für vielerlei Initiativen stark gemacht, darunter den Debattierclub oder klassische Konzerte in der Bibliothek. Auf sein Studium von Wirtschaft und Management blickt er mit einer Mischung aus Wehmut und Freude zurück, „da ich meine Studienzeit sehr genossen habe und mich meine Professoren geprägt haben; mit einigen von ihnen, dem vormaligen Rektor Prof. Alfred Steinherr und den beiden Professoren Alessandro Narduzzo und Christian Lechner (der soeben an die Business School der LUISS nach Rom gewechselt ist) bin ich bis heute in Kontakt“.
Gründung des eigenen Unternehmens
Sie alle haben seinen Blick für komplexe Themen geschärft und ihn gelehrt, dass es einer „analytischen Herangehensweise bedarf, um die Zusammenhänge zu erkennen und einzuordnen“. So hat Arnbjörn nur wenige Jahre nach seiner Studienzeit in Bozen sein eigenes Beratungsunternehmen Iceventure gegründet, das klanglich gewollt an seine zweite Heimat Island erinnert und inhaltlich die Themen Innovation, Capital und Knowledge umreißt. „Wir sind mittlerweile vier Mitarbeiter - darunter noch ein unibz-Absolvent - die als eine Art Niche Boutique Consultancy die Themenstränge Technologiebewertung und Business Development, basierend auf stringenten Industrieanalysen, bearbeiten. Softwarisierung, d.h. Prozesse in Software abzubilden, spielt dabei eine große Rolle.“
Was hat es mit Fucina auf sich?
Ein Wissen, das er bis zum Vorjahr auch als Teaching Assistent des Marketingkurses für Startups in Bozen weitergegeben hat. „Ich habe damals nach meinem Studienabschluss in Bozen im Jahr 2008 für die Fakultät für Design und Künste das Projekt Fucina betreut, das außergewöhnliche, im Studium entstandene Produkte, für die Marktreife vorbereiten sollte. Das war das erste Spin-off mit bis zu drei Verkaufspunkten. Dieser Erfahrung folgte ein größeres Projekt, der Aufbau eines Family Offices, in Zusammenarbeit mit der Prader Bank und unterstützt von der Handelskammer, ein Projekt für die Universitätsstiftung. Kurz darauf erfolgte die Gründung meines eigenen Unternehmens. Heute geht es in meiner Arbeit darum, für Kunden neue Geschäftsfelder zu entwickeln, auch Markt und Technologietrends einzuordnen, um sie in die Unternehmensentwicklung zu integrieren. Dieses Wissen gebe ich auch in meinen Kursen an der unibz weiter.“
Das amerikanische Modell als Erfolgsrezept
In seiner Beratungsfirma sieht der 42-Jährige die Geschäftsfeldentwicklung eindeutig dem amerikanischen Modell angelehnt, das deutlich weiter gefasst ist als die europäische Herangehensweise mit einer reinen Sales-Marketing-Funktion. „Wir begleiten den Innovationsprozess bis hinein in die Umsetzungsphase für Unternehmen jeder Größe.“ Gefragt sind Kenntnis von Märkten, Prozesswissen und die Kenntnis um die Skalierung von Prozessen. Ganz nebenbei erzählt Arnbjörn, dass er dieses Modell auch beim Tischlerbetrieb seiner Brüder angewandt hat, für den er nebenher als CFO tätig ist und das Marketing verantwortet. Er hat jedoch alles so organisiert, dass sich dies von jedem Ort der Welt aus digital abwickeln lässt.
Apropos Ort: Arnbjörn Eggerz hat es mit Iceventure im Auftrag einer Stiftung auch einige Jahre nach Reykjavik verschlagen, wo er aufgrund der kulturellen Brücke, die er nach Deutschland zu schlagen vermochte, verschiedene Geschäftsideen entwickeln sollte. „Das war direkt nach der großen Finanzkrise. Das Land musste sich – vormals noch bemüht, zu einem neuen Finanzstandort nach Luxemburger Modell zu werden – völlig neu umorientieren. Da war makroökonomische Analyse, Wissen über die Finanzindustrie, die Schaffung eines Innovationsystems und tiefe Kenntnisse der Energiewirtschaft für Exportideen nötig, um mit einem zerstörten Kapitalstock etwas zu bewegen.“
Die gesellschaftliche Entwicklung verlangt nach Generalisten
Angesprochen darauf, was er Studierenden für ihre Zukunft rät, hält Arnbjörn Eggerz etwas inne: „Meines Erachtens verlangt die gesellschaftliche Entwicklung Generalisten, also Rollenbilder, die in der Lage sind, Themen in Zusammenhängen einzuordnen. Und die Kommunikation dessen - dazu zählt auch schon einmal, eine 10 Seiten lange Analyse für den Kunden zu verfassen und in einer pointierten E-Mail klar und lesbar darzulegen. Daher meine ich, dass viele Trends, diktiert von der Oberflächlichkeit, mit der in den Social Media auf Themen eingegangen wird, nicht bestehen werden. Dies da sie die Realität und Komplexität von Märkten und Unternehmen völlig ausblendet. Am Ende des Tages setzt sich die Nuanciertheit durch, also kein einfaches Schwarz-Weiß-Denken. Dessen sollten sich Studierende in ihrem Studium und der täglichen Auseinandersetzung mit neuen Themen bewusst sein – die fundierte Ausbildung zählt. Nur wer tief in wissenschaftliches Denken eintaucht, und so die Grenzen der eigenen Methoden und Modelle kennt, kann reflektieren und gewinnt.“
Das Gespräch beendet Arnbjörn Eggerz mit einem "bis bald einmal wieder in Südtirol."
(vic)